Loblied auf die Goetheblume (Bryophyllum)
 
   
Seit Jahren wuchert in unserer Wohnstube eine Goetheblume vor sich hin. Diesen Winter (2005-2006) schließlich überaschte uns dieses doch recht eigenwillige Gewächs mit einer wunderschönen Blüte. Da bisher alle, die wir fragten, noch nie eine Goetheblume blühen sahen, möchten wir nachfolgend dazu beitragen, diese visuelle Lücke zu schließen ;-) und gleichzeitig auch einiges Wissenswerte über diese Pflanze vermitteln. Die genaue Art unseres Brutblatts wissen wir leider noch nicht.
 
 
Bryophyllum

Einordnung & Heimat | Merkmale | Inhaltsstoffe & Verwendung | Goethes Leidenschaft | Pflege und Vermehrung, Linktipps

Einordnung & Heimat

 
  Synonyme: Brutblatt, Goethe-Pflanze, Wurzelblatt, Keimblatt, Knotenblatt, Moosblatt, Lebenszweig
Wissenschaftlicher Name: Kalanchoë daigremontiana
Familie: Crassulaceae (Dickblattgewächse)

Die Brutblätter (Bryophyllum) zählen zu einer Pflanzengattung, die zu den Dickblattgewächsen (Crassulaceae) gehört. Der wissenschaftliche Name heißt übersetzt "sprossendes Blatt" - bryein = sprossen, wachsen; phyllon = Blatt. Manchmal werden die Brutblätter auch in die Gattung Kalanchoe eingegliedert. Ob das seine Berechtigung hat oder nicht, ist noch nicht endgültig geklärt. Es sind etwa 30 verschiedene Arten bekannt. Die meisten davon kommen wildwachsend in Afrika / Madagaskar vor. Einige werden als Zierpflanzen kultiviert und sind daher auch außerhalb Afrikas in tropischen Regionen verwildert anzutreffen (z.B. Kalkutta). In Kultur am weitesten verbreitet sind die Arten Bryophyllum daigremontianum und Bryophyllum tubiflorum. Die Art Bryophyllum calycinum kam über die königlichen Gärten in Kew bei London und über Hannover schließlich nach Weimar.    
 
 


Merkmale

Das auffälligste Zeichen dieser Pflanze gab ihr die vielen Beinamen: Wenn um einen Fenstersims viele kleinste Pflänzchen verstreut liegen, kann Bryophyllum nicht mehr fern sein. In ihren gezähnten Blattwinkeln sitzen wie Scharen von Kindern diese kleinen Brutknospen, Miniaturen der Mutterpflanze, die auf Erde gesetzt schnell Wurzeln bilden und zu eigenständigen Pflanzen heranwachsen. Blätter und Stengel der Pflanze sind grün, dicklich aufgetrieben und mit einer glänzenden Wachsschicht überzogen. Das ganze Gewebe ist ein großer Wasserspeicher, der durch die Wachsschicht vor Verdunstung geschützt wird. Trockenheit verträgt Bryophyllum deshalb sehr gut. Der ganze Stoffwechsel ist auf Trockenheit eingerichtet: So kann die Pflanze tagsüber, wenn es heiß ist, geradezu den Atem anhalten und sich so vor Verdunstung schützen. Erst nachts schöpft sie Atem, sammelt das Kohlendioxid in an Apfelsäure gebundener Form und betreibt dann am nächsten Tag damit Photosynthese. Dirunaler Säurerhythmus wird diese spezielle Art der Photosynthese benannt, die sich auch bei vielen Kakteen findet. Zum Winter hin, wenn die Nächte länger als die Tage werden, kann Bryophyllum auch blühen: Zahlreiche hängende, weitgehend geschlossene Einzelblüten gehen langsam von einem grünen in einen blassvioletten / orangen Farbton über. Der verblühte Blütenstand wird auch von den kleinen Brutknospen überwuchert, als wollten sie beweisen, dass sie doch mehr zur Verbreitung der Pflanze beitragen als die Samen.

 
 
 
 
 

Inhaltsstoffe & Verwendung
Die Pflanze beinhaltet verschiedene Pflanzensäuren wie zum Beispiel Isocitronensäure, Apfelsäure, freie Weinsäure, Bufadienolide, Alkaloide, Calciumoxalat, Flavonoide, Anthocyane und Gerbstoffe.

In der Volksmedizin der tropischen Ländern wird Bryophyllum-Saft innerlich gegen Diarrhoe und "allerlei Fieber" gegeben. Äußerlich wird eine Salbe aus dem ausgepressten Saft der Blätter, der mit Öl oder Sheabutter vermischt wird, bei Geschwüren, Abszessen, Verbrennungen oder schlecht heilenden Wunden eingesetzt. Die Salbe wirkt blutstillend, entzündungshemmend und wundheilend. Rudolf Steiner führte 1923 Bryophyllum als Heilpflanze ein, die bei Hysterie verwendet wird.

 
 
 
 

Goethes Leidenschaft
Johann Wolfgang von Goethe war dem nahverwandten Bryophyllum calycinum (Kalanchoe pinnata) "leidenschaftlich zugetan". Aus den Brutknospen zog sich Goethe selbst verschiedene Generationen der Pflanze. Er hatte Freude daran, Blätter zur Vermehrung an seine Freunde zu verschicken. Davon zeugt ein Brief vom April 1830 an Marianne von Willemer: "Sie erhielten in diesen Tagen ein kleines Paket, das Ihnen die angenehme Pflicht auflegt, im Andenken eines angeeigneten Freundes mit Pflanzenerziehung sich zu beschäftigen. Mögen diese fruchtbaren Blätter viele Wurzeln schlagen und, in reichlichen Keimen entfaltet, von der Freundin selbst auch vielleicht Freunden mitgeteilt, die Erinnerung an den Sendenden beleben und erhalten."

 
  Was Goethe an dieser Pflanze vor allem faszinierte, ist deren besondere Fähigkeit zur vegetativen (= ungeschlechtlichen) Vermehrung. Wie bereits oben erwähnt, wachsen an Einkerbungen der Blattränder kleine Tochterpflanzen heran, welche sich bewurzeln und nachdem sie auf die Erde gefallen sind zu vollständigen Pflanzen heranwachsen. Dies passte genau zu der Auffassung Goethes, dass das wichtigste Organ der Pflanze das Blatt ist. Hier konnte er in den Blättern jenes von ihm angenommene Urorgan, das die ganze Pflanze wieder hervorbringen kann, mit eigenen Augen sehen. Damit sah er seine Theorie der Pflanzenmetamorphose als bestätigt an. Das Brutblatt feierte für ihn "den Triumph der Metamorphose im Offenbaren".

Goethe stellte zahlreiche Versuche mit Bryophyllum calycinum an. Insgesamt acht Pflanzengenerationen zog er in den Jahren von 1818 - 1830 heran. Die geplante und mehrfach begonnene Abhandlung über diese Pflanze konnte er allerdings nie ausführen. Seine übrigen Verpflichtungen ließen ihm wohl zu wenig Zeit. Dennoch nennt man zu Recht Bryophyllum calycinum immer noch die Goethe-Pflanze.

 
 

Pflege und Vermehrung
Ideal ist ein heller Platz mit etwas Sonnenlicht. Im Sommer sind Temperaturen über 20 °C günstig. Gegossen wird zwar reichlich, aber in größeren Abständen. Vor dem nächsten Aufguss müssen die Ballen gut antrocknen. Die Blätter sind sukkulent und in der Lage, lange Durststrecken mit ihren Vorratsspeichern zu überbrücken. Staunässe ist das Schlimmste, was man ihnen antun kann. Wer gerne düngt: alle drei bis vier Wochen Kakteendünger ins Gießwasser geben.
Im Winter sollten die Temperaturen nicht unter 10 °C fallen. Optimal sind 13 bis 16 °C.
Umtopfen: Umgetopft wird jeweils nach Ende der Blütezeit. Die Pflanzen erhalten geringfügig größere Töpfe und werden in frische Kakteenerde gebettet.
Vermehrung: Das Brutblatt vermehrt sich ganz ohne Zutun. Die fix und fertig ausgebildeten Pflänzchen fallen von den Blatträndern ab zu Boden und wurzeln dort an.

 

 
 
Hier noch einige interessante Links:
 
(Wikipediainfos über Brutblätter (Bryophyllum))
(schöne Bilder aus Beates privater Sammlung)
(seltene und unbekannte Brutblätter - Bestellmöglichkeit!)